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Start Reise 2010 – 2016 Indien Amritsar (27. - 30.01.2011)

Amritsar (27. - 30.01.2011)

Die Hauptsehenswürdigkeit von Amritsar (siehe Karte) ist der Goldene Tempel – der wichtigste Tempel der Sikh-Religion (die mit den Turbanen, sowie auch Messern oder Säbeln wenn in Vollausstattung). Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass es die beeindruckendste religiöse Stätte ist, die ich in meinem kurzen bisherigen Leben gesehen habe. Und es ist nicht nur die Aussicht, die einen umhaut, sondern auch ein überwältigendes Gefühl des Willkommenseins, das man dort bekommt:

  • Es geht los mit kostenlosem Bus vom Bahnhof zum Tempel (wenn man darauf warten möchte).
  • Über kostenlose Unterkunft auf dem Tempelgelände (Spenden sind willkommen). Ausländische Gäste bekommen dabei Betten in einer Art Jugendherberge oder können sich Zimmer mieten, während einheimische Pilger einfach im Hof mit Matratzen und Decken versorgt werden.
  • Kostenloses Essen und Tee 24 Stunden am Tag in der Pilger-Kantine.
  • Anders als in Delhi, wo die einzigen Menschen, die einen ansprechen, Leute sind, die einen in irgendeine Reiseagentur oder Geschäft locken möchten, sind es auf dem Tempelgelände in Amritsar Menschen, die einem die Geschichte des Tempels erzählen oder sich einfach unterhalten wollen.
  • Selbst die Taxi- und Rikschafahrer am Bahnhof sind anders: Wenn man ihnen erklärt, dass man den kostenlosen Bus zum Tempel nehmen möchte, bestätigen sie einem (und es versammelt sich schnell eine ganze Gruppe), dass die Fahrt zum Tempel und die Unterkunft dort kostenlos sind, statt die anderswo üblichen Geschichten aufzutischen von „kein Bus, nur Taxi“ und „Tempel geschlossen, aber ich kenne einen guten Markt in der Nähe“. Und einmal, als ich einen Preis zum „Silbernen Tempel“ der Hindus in derselben Stadt mit einem Fahrradrikschafahrer verhandelte, versammelte sich schnell eine Gruppe Menschen um mich herum, die dem Fahrer den üblichen Einheimischen-Preis aufdrückte – der arme Fahrer wusste nicht, wie es ihm geschah, und wollte später nach der Fahrt auch kein Trinkgeld mehr. Man hat dem Mann wohl sehr ins Gewissen geredet.
  • Ich wechselte ein paar Worte mit einem Fahrradrikschafahrer in der Stadt und ging weiter. Als ich später mit einem anderen Fahrer zu einer Sehenswürdigkeit unterwegs war und mein Fahrer den Weg nicht kannte, fuhr der erste Fahrer, der zufällig in der Gegend war, ein Stückchen nebenher und zeigte den Weg. Und grüßte mich dann noch, als ich später wieder zwei Mal an ihm vorbei fuhr.

Kurz, ein Paradies der Gastfreundschaft für drei Tage. Der leider am letzten Abend zerstört wurde, als ich mitbekam, dass zwei jüngere Aufpasser auf die Touristenunterkunft einem Neuankömmling einen Zimmerpreis für ein Bett in der kostenlosen Unterkunft als „Spende“ abdrückten. Er hatte bis dahin die riesengroße Tafel mit der Aufschrift „Geben sie den Aufpassern keine Spenden, sondern tun Sie sie in Spendenboxen“ noch nicht gesehen. Es war mal wieder eine theaterreife Aufführung von denen, wobei einer die Bezahlung einforderte, während ein anderer als „Abteilungsleiter“ für bestätigendes Kopfnicken fungierte. Diese Geschichte hat mich glücklicherweise wieder in Realität zurückbeordert. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die vielen Tempelwachen mit ihren Säbeln und Lanzen die armen Aufpasser wie Wassermelonen aufgeschnitten hätten, hätte der Betroffene sich bei ihnen beschwert. Immerhin dienen die Waffen der Sikh dem Einfordern der Gerechtigkeit. Andererseits ist „Gerechtigkeit“ aber ein subjektiver Begriff – viele ärmere empfinden es gerecht, reicheren etwas abzuknüpfen. Und in vielen Augen sind ausländische Touristen spazierende Dollarzeichen. Am Anfang der Ägypten-Reise war es noch zeitweise ermüdend, die ständigen Trickserei-Versuche abwehren zu müssen. Aber irgendwann wird es zur zweiten Natur – man entwickelt die nötige Dreistigkeit um der Dreistigkeit der „Pockerfaces“ zu begegnen und steht darüber. Es ist alles nur ein Spiel – ein Trickser versucht einen Trick, weil er einen Versuch wert ist. Zum Ausgleich gibt es überall genügend ehrliche, freundliche und hilfsbereite Menschen.

Übrigens musste ich gegen Ende meiner Bleibe in Amritsar endgültig auf mein Handy als Fotoapparat ausweichen, da mein normaler das Wasserbad, das ich ihm verpasste, nicht ohne Verluste überstand. Zeit für einen neuen, sobald ich in eine größere Stadt komme und daran denke.


Erweiterung:

Die kostenlose Herberge auf dem Gelände des Goldenen Tempels, in der ich blieb, war ein Magnet für Rucksacktouristen und bat eine tolle Gelegenheit um Leute zu treffen. Hier ein Ausschnitt – ziemlich gut repräsentativ für den Rest für Indien, wie ich finde:

  • Ein spanischer Schulabsolvent, der eine (Halb- oder Jahres-, ich weiß es nicht mehr)Eurasien-Reise macht und dabei keine Flüge verwendet. Nur als Anhalter, mit Bus und Zug. Und so von Westeuropa über Türkei, Iran, Pakistan, Indien, Nepal, China, Russland und Osteuropa bis zurück nach Spanien reist. Hat beste Erfahrungen mit Menschen in Iran und Pakistan gemacht.
  • Ein russischer Student aus Moskau, der sich für Yoga und die Sikh-Religion interessiert. Inklusive gelegentlichen Turban. Hatte früher mal per Anhalter Westeuropa bereist.
  • Ein japanischer Fahrradreisender. Er ist schon seit ca. 2 Jahren (mit kurzen Unterbrechungen) unterwegs, anfangs als Rucksacktourist und nun seit 20.000km mit dem Fahrrad. Bisher alles in Asien, aber er hat noch Afrika und Europa auf dem Plan. Noch zwei Jahre oder so. Als dritter Offizier auf Tankern und Containerschiffen war er früher zwar weit gereist, hatte aber nur das Schiff gesehen.
  • Noch ein Fahrradreisender, diesmal aus Australien. Ehemaliger Koch und geplanter Halbedelstein-Importeur aus Indien und Verkäufer in Australien. Er hat Süd-China bis nach Thailand mit Fahrrad zurückgelegt ist aber dann nach Delhi mit einem Flieger gekommen. Wollte das Radeln aber in Amritsar aufgeben – Knieprobleme und zu viel Staub auf den Straßen.
  • Ein älterer Sikh aus den USA (ohne indischen Hintergrund), in voller Sikh-Bekleidung inklusive Messer und langen Haaren und Bart (wenn beides nicht gerade unter Turban versteckt).

Respekt an alle! Dagegen sehe ich ja zu normal aus. Ich glaube ich muss mir auch ein Fahrrad besorgen. (Spaß, Spaß. Ich glaube nicht, dass ich zu wenig vom Land sehe oder zu weit von den Leuten weg bin.) Ach ja, es sind noch einige (Teilzeit-)Bücherschreiber unterwegs. Von Kochbüchern über Theaterstücke zu indischen Tänzen bis sehr abgedrehter (allegorischer) Fiktion ist alles dabei. Und dann gibt es noch ehemalige Volontäre, die nach Ende ihrer „Dienstzeit“ noch eine Rundreise anschließen. Und einfache Urlauber wie ich. Aber die sind selten. Einige haben schon ihre Hippi-Zeit in Goa oder Kerala verbracht, nachdem sie mit ihrem Auto oder umgebautem Bus aus Deutschland dort hinkamen.

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 07. Juni 2011 um 11:50 Uhr  

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